Unsere Ziele für Sie

01. Erhalt der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung
Am besten wird der berufsrechtliche Rahmen durch die Profession selbst gestaltet, vertreten durch die Kammer. Dies ist das originäre Recht von Freiberufler*innen.

Die Freiberuflichkeit ist gekennzeichnet durch eine besondere berufliche Qualifikation sowie durch persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung ihrer Dienstleistungen. Sie ist außerdem dem Gemeinwohl verpflichtet. Damit werden  Merkmale der freien Berufe festgelegt, die bei den Heilberufen den Patient*innen bestmöglich zugutekommen und die per se geschützt sind vor von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Überlegungen. Die Inhaber-geführten Praxen und deren Angestellte gewährleisten zudem eine individuell abgestimmte Behandlung mit maximaler Behandelndenkontinuität. Dies geschieht wohnortnah und in dem besonders geschützten therapeutischen Raum.
Die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen werden durch die Kammern und damit von den Psychotherapeut*innen selbst definiert. Deren Gremien werde auf alle Ebenen demokratisch besetzt.

Der Staat tut gut daran, diese hoheitlichen Aufgaben an die psychotherapeutisch Tätigen zu delegieren und damit in die fach- und sachkundigen Hände derjenigen zu legen, die diese in ihrer täglichen Arbeit anwenden, prüfen und evaluieren. Allein die Rechtsaufsicht verbleibt weiterhin beim Gesetzgeber. In der kassenzugelassenen Niederlassung wird dieses Prinzip der Selbstverwaltung ergänzt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die für die sozialrechtlichen Ausgestaltungen des SGB V verantwortlich sind.
Trotz aller manchmal auch berechtigten Kritik und der Mühsal und Schwerfälligkeit demokratischer Prozesse: Dazu bekennen wir uns – ein besseres System gibt es nicht. Die Autonomie unseres Berufsstandes muss erhalten bleiben!

02. Keine Eingriffe in die therapeutische Beziehung
Der Schutz des Behandlungsraums ist grundlegende Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung und eine vertrauensvolle psychotherapeutische Beziehung. Psychotherapie wirkt, die Patient*innenzufriedenheit ist groß. Allein die Kammer ist zuständig für die Einhaltung der Berufsordnung und der Qualität.

Die therapeutische Beziehung – deren Qualität sich in Studien über die Verfahren hinweg als der zentrale Wirkfaktor von Psychotherapien erwiesen hat – und der geschützte thera­peutische Raum sind die grundlegenden und damit wichtigs­ten Voraussetzungen für eine psychotherapeutische Behand­lung. Nur auf Basis des Vertrauens und der Vertrautheit können Patient*innen sich öffnen, ihre Probleme ansprechen und selbstkritisch reflektieren. Damit sind diese Grundbedin­gungen unantastbar.

Dennoch gibt es Versuche, Einblick in diesen geschützten Raum zu bekommen und/oder Kontrolle auszuüben. Genannt sei hier das gerade entstehende Instrument der Qualitätssi­cherung für die ambulante Psychotherapie, dessen Entwick­lung der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss ins Lastenheft geschrieben hat. Damit greift er, ohne Beleg über tatsächlich bestehende Qualitätsdefizite, in hoheitliches Gebiet der Kammern ein. Erwähnt werden muss aber auch die Gier nach Behandlungsdaten, dem „Gold der Gegenwart“, im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte und den europäischen Plänen für den länderübergreifenden Euro­päischen Gesundheitsdatenraum (EHDS).

Gegen derartige Bestrebungen wehren wir uns mit aller Kraft, um unsere Patientinnen und Patienten sowie den Behandlungsraum zu schützen.

Eine besondere Rolle kommt auch dem Gebot der Abstinenz zu. Dieses verstehen wir als ethischen, Grenzen setzenden Rahmen der Psychotherapie, aber auch als therapeutische Haltung. Als gemeinsame Orientierung für Therapeutin und Patientin ist sie Grundlage für den psychotherapeutischen Prozess und schützt ihn. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Psychotherapien, sondern auch für Selbsterfahrung, insbesondere in der abhängigen Situation der Aus- und Weiterbildung. Hier – wie auch in der Psychotherapie – ver­bietet sich eine Vermischung mit gleichzeitig bestehenden privaten Beziehungen sowie wirtschaftlichen, dienstlichen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnissen.

03. Sicherung der Vielfalt der Verfahren und Versorgungsstrukturen
Die Aus- und Weiterbildung muss so gestaltet werden, dass das psychotherapeutische Angebot zum Wohl der Patient*innen vielfältig bleibt. Von der Einzelpraxis über Kooperationen bis zum MVZ – ein breites Angebot nützt der Patient*innenversorgung, wobei stets die Behandlungsqualität gesichert sein muss.

Die psychotherapeutischen Richtlinienverfahren ermöglichen es in ihrer Vielfalt, auf den Bedarf der Patient*innen individuell einzugehen und eine maßgeschneiderte Behandlung anzubieten. Es ist daher entscheidend, dass in der Aus- und Weiterbildung die Auswahl aller Richtlinienverfahren gewährleistet ist und angehende Therapeut*innen die Möglichkeit bekommen, ihr Fachwissen zu erweitern und sich zu unterschiedlichen Psychotherapeuten-Persönlichkeiten zu entwickeln.

Darüber hinaus ist es zum Wohl der Patient*innen wichtig, die Versorgungsstrukturen zu verbessern. Eine Erweiterung der Möglichkeiten der Niederlassungen in Einzelpraxen bis zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) unter der Leitung von Psychotherapeut*innen kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Durch die Einbindung in MVZ können interdis­ziplinäre Kooperationen und eine umfassendere Versorgung der Patient*innen gewährleistet werden. Dies ermöglicht eine bessere Vernetzung mit anderen Fachärzt*innen und eine ganzheitliche Behandlung, die sowohl die psychischen als auch die körperlichen Aspekte der Gesundheit berücksichtigt.

Wir setzen uns entschieden dafür ein, dass der Ausbau von Niederlassungen sowohl in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen als auch in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) aktiv gefördert wird. Unser oberstes Ziel ist es, das Wohl der Patient*innen zu gewährleisten, indem ihnen eine hochwertige und umfassende Versorgung durch bestens ausgebildete Psychotherapeut*innen ermöglicht wird.

Wir engagieren uns mit Nachdruck für die wechselseitige Akzeptanz der unterschiedlichen Behandlungsverfahren und den Erhalt der Verfahrensvielfalt in Bezug auf die Gestaltung von Lehre, Aus- und Weiterbildung sowie Patientenversor­gung. Angesichts der Komplexität der psychischen Entwick­lung und ihrer möglichen Störungen ist es unerlässlich, ein differenziertes ambulantes und stationäres Psychotherapie­angebot zu sichern.

Die gesetzlichen Bestimmungen und Ordnungen, die die Berufsausübung regeln, müssen gemeinschaftlich in einer Form gestaltet werden, die die unterschiedlichen Anforderun­gen verschiedener psychotherapeutischer Ausrichtungen berücksichtigt. Nur so können wir sicherstellen, dass eine angemessene Vielfalt an therapeutischen Ansätzen erhalten bleibt, die den unterschiedlichen Bedarfen der Patient*innen gerecht wird.

04. Ausbau der Behandlungskapazitäten für Kinder und Jugendliche
Wir befürworten die eigene Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche. Die ambulante und stationäre Versorgung sowie niederschwellige Hilfsangebote müssen ausgebaut und die Hilfen besser miteinander vernetzt werden.

Unser Spitzenkandidat, der amtierende LPK- und ehemalige BPtK-Präsident Dietrich Munz erklärt: „Über spezielle Zahlen zu den Wartezeiten bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen verfügen wir nicht. Wir haben aus den Praxen jedoch Rückmeldungen, dass die Anfragen mit der Coronapandemie besonders bei Kinder- und Jugendlichenpsycho­therapeut*innen stark angestiegen sind. Die Wartezeiten sind insbesondere in sozialen Brennpunkten, aber auch in ländlichen und strukturschwachen Regionen sehr lang.“

Kinder und Jugendliche müssen oft monatelang auf eine notwendige psychotherapeutische Behandlung warten oder finden gar keinen Therapieplatz; die Praxen sind völlig überlastet. Die Coronapandemie und der Ukraine-Krieg sind belastende Krisen, die den bereits vorher bestehenden Mangel an Therapieplätzen noch deutlich verstärken. Die negativen Auswirkungen der Pandemie bzw. der Maßnahmen zu deren Eindämmung auf die psychische Gesundheit von Heranwachsenden wurden neben dem Anstieg des psychotherapeutischen Behandlungsbedarfs in der COPSY-Längs­schnittstudie hinreichend belegt.

Zusätzlich kommen seit Beginn des Ukraine-Krieges viele Minderjährige mit Kriegs-, Flucht- und Gewalterfahrungen nach Deutschland, die zur Verarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen häufig psychotherapeutische Behandlung benötigen.

Dies zeigt, dass die frühere – bis jetzt gültige – Bedarfspla­nung dem aktuellen Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche nicht entspricht und dringend reformiert werden muss. Den bedürftigen Kindern und Jugendlichen muss zeitnah und flächendeckend ein Zugang zu Hilfsangeboten, Frühintervention und Psychotherapie ermöglicht werden, um frühzeitig langfristige psychische Fehlentwicklungen zu verhindern. Es gibt bisher keinen eigenen Versorgungsgrad für KJP. Ihr Bedarf geht in den allgemeinen Versorgungsgrad für Psychotherapeut*innen ein. Eine eigene Bedarfsplanung wird dringend benötigt!

Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen zudem empirische Daten, inwieweit Kinder und Jugendliche von den unterschiedlichen Versorgungsangeboten erreicht werden und wie die Quanti­täts- und Qualitätsanforderungen für die unterschiedlichen Einrichtungen aussehen sollten, um den Versorgungsbedarf adäquat abzudecken.

05. Mehr präventive Angebote und Netzwerke mit Kooperationspartnern
Gerade für Kinder und Jugendliche ist dies unerlässlich, um deren Resilienz – und damit auch die Gesellschaft der Zukunft – zu stärken und zudem die ambulante Psychotherapie zu entlasten.

Die psychotherapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stellt im Behandlungssetting häufig eine besondere Heraus­forderung dar. Es wird nicht nur mit den Indexpatient*innen gearbeitet, sondern auch mit Bezugspersonen wie Eltern, Pflegeeltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen.

Je jünger das Kind, desto wichtiger ist die Einsichts- und Umstellungsfähigkeit sowie die Motivierbarkeit des (Familien-) Systems, in dem das Kind lebt. Häufig sind Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen mit multiplen und komplexen psychosozialen Problemfeldern auf Kind-, Eltern- und Umfeldebene konfrontiert.

Qualitativ hochwertige Präventions- und Unterstützungsmög­lichkeiten können eine spätere psychotherapeutische Intervention vermeidbar werden lassen oder ihren Umfang reduzieren – gerade in Schwellen- und/oder Krisensituationen, wie beispielsweise der Erkrankung eines Elternteils, einer akuten hohen Belastung in der Familie und auch bei Trennung oder Scheidung.

Wir wünschen uns deshalb mehr präventive Angebote und den Ausbau von Netzwerken mit Kooperationspartner*innen, um die Familien außerhalb des Psychotherapiesettings zu unterstützen und zeitgleich die Kinder- und Jugendlichenpsy­chotherapie.

06. Digitalisierung mit Mehrwert
Der Nutzen muss im Vordergrund stehen und der Aufwand gering sein. Datenschutz und Datenhoheit der Patient*innen müssen jederzeit gewährleistet sein, insbesondere bei der elektronischen Patientenakte ePA.

Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche unseres Lebens, Chancen und Risiken müssen fortlaufend kritisch und differenziert evaluiert werden. Alle digitalen Projekte und Bausteine im Gesundheitswesen werden von den Mitglieds­beiträgen der GKV-Versicherten finanziert. Es muss eine unabhängige Prüfung geben, ob diese ausgegebenen Gelder einen medizinisch sinnvollen Zweck erfüllen.

2012 wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) der Paradigmenwechsel zu einem digital vernetzten Gesundheitswesen eingeleitet. Es folgten zahlreiche weitere Reformen zur Förderung der „Telemedizin“. Für die Digitalisie­rung der Kommunikationsstrukturen wurden rund 145.000 Arztpraxen und Kliniken an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen. Für Hard- und Software sowie Computer,

Konnektoren, Kartenlesegeräte, Medizin-Apps und ähnliches zahlten die gesetzlichen Krankenkassen mindestens 400 Millionen Euro, der GKV-Spitzenverband hat seit 2008 über zwei Milliarden Euro für TI-Projekte ausgegeben.

Im Frühjahr 2020 waren bundesweit zehntausende Konnekto­ren der TI bis zu acht Wochen komplett ausgefallen, im selben Jahr wurde bekannt, dass in Finnland vertrauliche Notizen aus Psychotherapiesitzungen von Zehntausenden Patient*innen gestohlen und teils veröffentlicht wurden. Patient*innen berichteten, dass die Hacker gedroht hätten, die sensiblen Daten ins Internet zu stellen. Im Juni 2023 wurde ein Server eines Dienstleisters der BARMER-Krankenkasse mit Patient*innendaten gehackt (z. B. Ärztlicher Nachrichtendienst 27.06.2023).

Ein Schlüsselprojekt der Digitalisierung des Gesundheitswe­sens ist die elektronische Patientenakte (ePA), in der Kranken­akten und Gesundheitsdaten einer Person gespeichert werden sollen. Es wird sehr darauf zu achten sein, dass angesichts der mittlerweile von der Politik vorangetriebenen Opt-Out- Variante auch im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) die sensiblen Daten unserer Patient*innen sicher geschützt bleiben.

Der materielle und zeitliche Aufwand für die Verwaltung und Weiterentwicklung der Systeme wächst ins Unermessliche. Für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen ist von diesen zahlreichen digitalen Neuerungen weder ein wirtschaftlicher Gewinn zu erwarten, noch ist der Zeitaufwand für eine sorgfältige Diagnostik angesichts der erhobenen Datenmen­gen zu beziffern.

Wir im Psychotherapeut*innenbündnis Baden-Württemberg bewerten die Versprechungen der rasant vorangetriebenen Digitalisierung im Gesundheitswesen differenziert: Als kritisch nehmen wir zum einen die ungenügende Sicherheit der Patient*innen- und Behandelndendaten wahr und zum anderen den immens ansteigenden Verwaltungsaufwand. In unseren Augen fehlt es an einem überzeugenden Gesamt­konzept.

Auf allen Ebenen und in allen Gremien der Berufspolitik setzen wir uns aktiv dafür ein, die fachlich-inhaltlichen Bedenken der Therapeut*innen und die Interessen der Patient*innen zu berücksichtigen. Wir fordern für alle Menschen einen barrierefreien Zugang und die umfassende Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten. Der vertrau­liche Umgang mit sensiblen Fakten hat oberste Priorität.

07. Telemedizin mit Augenmaß
Die videogestützte Behandlung kann in Ausnahmefällen, in denen eine entsprechende Indikation besteht, unter Berücksichtigung der berufsrechtlichen Vorgaben sinnvoll sein. Eine generelle Gleichstellung von Video- und Präsenzpsychotherapie unter rein ökonomischen Gesichtspunkten lehnen wir aus fachlichen Gründen ab.

Videogestützte Therapie war in der Pandemie ein Hilfsmittel, den Kontakt zu den Patient*innen zu halten. Behandlungen ausschließlich über Video können den persönlichen Kontakt mit allen Sinnen nicht ersetzen; sie führen zu einer Verar­mung therapeutischer Interventionsmöglichkeiten. Wir lehnen Versuche der Kostenträger ab, mehr videogestützte Therapie zu implementieren und Telemedizin aus Kosten­gründen oder zur Patient*innensteuerung einzuführen. Das Psychotherapeut*innenbündnis hat in der letzten Wahlperiode hierzu praktikable und patientengerechte Vorschläge für Regelungen in die Vertreterversammlung eingebracht, die in die Berufsordnung aufgenommen wurden.

Gleichzeitig ist es wichtig, die Besonderheiten dieses Instruments weiter zu erforschen und geeignete Einsatzmög­lichkeiten zu definieren, Chancen und Möglichkeiten heraus­zuarbeiten und Psychotherapeutinnen in der Chancenabwä­gung zu unterstützen. Da es deutliche Unterschiede zwischen Therapien per Video und vor Ort gibt, ist es wichtig, sowohl Therapeutinnen als auch Patient*innen gut über Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist für den Schutz des therapeutischen Raums zu sorgen, was bei videogestützter Therapie nicht immer gegeben ist. Gleichzeitig ist die wissenschaftliche Begleitung bzw. Untersuchung der Wirkweise von videobasierter Psycho­therapie dringend notwendig, insbesondere im Bereich der Therapie von Kindern und Jugendlichen.

08. Erhalt des Antrags- und Genehmigungsverfahrens und der Kontingente
Ambulante Psychotherapie braucht einen sicheren Rahmen in Form von vorab genehmigten Kontingenten, die nach individuellem Bedarf eingesetzt werden.

Die Vorabwirtschaftlichkeitsprüfung der genehmigungspflichtigen Psychotherapie ist ein hohes Gut. Nachträgliche Prüfungen und Regressforderungen werden damit vermieden. Dies ist besonders bei Patient*innen mit langen Behand­lungsdauern und schwierigen Verläufen wichtig. Eine Abschaffung der Vorab-Wirtschaftlichkeitsprüfung würde zulasten von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen gehen.

Hinzu kommt: Die Therapiekontingente bieten einen sicheren und vorhersehbaren Behandlungsrahmen, an dem sich Patientinnen und Psychotherapeutinnen orientieren können. Sie verdeutlichen außerdem, dass Psychotherapie zeitlich begrenzt ist. Kontingente werden bedarfsgerecht und individualisiert genutzt. Wenn notwendig, kann das Höchst­kontingent auch überschritten werden.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Abschaffung des Antrags- und Gutachterverfahrens von der Einführung des Instruments der Qualitätssicherung entkoppelt wird. Erfor­derlich sind stattdessen eine Überprüfung und Weiterent­wicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens. Das Psychotherapeut*innenbündnis und seine Verbände waren und sind daran engagiert beteiligt.

09. Direkter Zugang zur Psychotherapie
Das Erstzugangsrecht und die Steuerung durch die Sprechstunden sind nicht verhandelbar. Patient*innen muss jederzeit – ohne weitere vorgeschaltete Hürden – der direkte Zugang zur Psychotherapie möglich sein. Die Psychotherapeutischen Sprechstunden sind das originäre Steuerungsinstrument in der Hand der Psychotherapeut*innen.

Bereits 2017 gab es den Versuch, durch eine verpflichtende Vorbegutachtung vor jeder Psychotherapie den direkten Zugang zur Behandlung zu verhindern. Begründet werden solche Versuche immer wieder damit, dass angeblich in den psychotherapeutischen Praxen vorwiegend leichte Fälle und diese auch noch zu lange behandelt würden – ergänzt durch den Vorwurf, dass die meisten Psychotherapeut*innen nur in Teilzeit arbeiteten und ihrer Versorgungsverpflichtung somit nicht nachkämen. Obwohl diese Behauptungen durch empiri­sche Daten klar widerlegt wurden, werden sie stets von Neuem geäußert und funktionalisiert, um dann Instrumente der Kontrolle von außen zu installieren. Psychotherapeut*innen behandeln Menschen mit unterschiedlichsten Störungen und zumeist Komorbiditäten, bei denen nach sorgfältiger Diag­nostik in den Psychotherapeutischen Sprechstunden und gegebenenfalls weiteren probatorischen Sitzungen eine individuelle Indikation gestellt wurde. Bei allen Patient*innen besteht somit eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Dring­licher Behandlungsbedarf wird in den Praxen berücksichtigt, indem dann auch ein schneller Therapiebeginn erfolgt.

Die Mehrvergütung von Kurzzeittherapien setzt Anreize für kürzere Behandlungsdauern, die ökonomisch und nicht fachlich motiviert sind. Hier fordern wir, fachlich angemessene Behandlungsdauern zu gewährleisten und auch entsprechend zu vergüten.

Patient*innen dürfen nicht anhand vermeintlicher Schwere­grade gegeneinander ausgespielt werden. Jedwede Steue­rungsversuche und Forderungen der Priorisierung oder sogar Triagierung werden entschieden abgelehnt.

Psychotherapeut*innen gehen besonders sorgsam mit ihrem Versorgungsauftrag um, indem sie ihre Sitze teilen und damit eine optimale Auslastung ermöglichen.

Diese Fakten müssen stetig und deutlich den Akteuren der Gesundheitspolitik vermittelt werden, neben anderen Eigenschaften und Wirkmechanismen von Psychotherapie.

10. Ausreichende Finanzierung der Weiterbildung
Psychotherapeut*innen in Weiterbildung müssen im ambulanten und stationären Bereich ihrer Qualifikation entsprechend angemessen bezahlt werden. Es muss ausreichend Stellen geben und die hohe Qualität der bisherigen Ausbildung erhalten bleiben.

Die Finanzierung der ambulanten Aus- und Weiterbildung ist derzeit nicht gesichert. Dabei war es einer der Hauptgründe für die Ausbildungsreform – und ist unser gemeinsames Anliegen –, dem psychotherapeutischen Nachwuchs die Gewissheit zu geben, dass ausreichend Weiterbildungsplätze nach dem Psychotherapiestudium vorhanden sind und Kandidat*innen angemessene Anstellungsverhältnisse und eine faire Vergütung erhalten.

Anstellungsverhältnisse in Praxen, die als Weiterbildungsstät­ten tätig sein wollen, allein durch Honorare für die Weiterbil­dungsbehandlungen zu finanzieren, ist nicht möglich. Daher wird derzeit ein Finanzierungszuschuss für Psychothera­peutinnen in Weiterbildung in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren diskutiert. Hierfür könnte eine Erweite­rung des Paragrafen 75a SGB V erforderlich sein. Institute, die Weiterbildungsambulanzen führen, müssen die notwendige Zusatzfinanzierung direkt mit den Kassen aushandeln. Psychotherapeutinnen in Weiterbildung müssen im ambu­lanten und stationären Bereich ihrer Qualifikation entspre­chend angemessen bezahlt werden. Es muss ausreichend Stellen geben, und die hohe Qualität der bisherigen Ausbil­dung muss erhalten bleiben.

Wir setzen uns entschieden gegen eine Kommerzialisierung der Weiterbildung ein und kämpfen gegen den Verlust von Ausbildungsqualität aufgrund einseitig gewinnorientierter Interessen. Mit der derzeit laufenden Umsetzung der neuen Weiterbildung stehen unsere Weiterbildungs­stätten in den kommenden Jahren vor neuen Herausforde­rungen. Unser Ziel ist es, aktiv an der Gestaltung eines Rahmens mitzuwirken, der sicherstellt, dass die Qualität der Weiterbildung nicht beeinträchtigt wird.

Gemeinsam können wir sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Kandidat*innen und die bestmögliche Versorgung der Patient*innen stets im Mittelpunkt stehen. Mit unserer Wahl unterstützen Sie dieses Anliegen!

11. Psychotherapeutische Verantwortung im gesamtpolitischen Kontext
Erforderlich ist die Unterstützung der Krisenintervention und psycho­therapeutischen Versorgung der Opfer von Kriegen und Naturkatast­rophen. Gleiches gilt für Initiativen im Gesundheitssystem zur Analyse und Bewältigung der Klimakrise.

Als Psychotherapeut*innen stehen wir in einer berufsethi­schen Verantwortung, die auch den Erhalt der ökologischen und soziokulturellen Lebensgrundlagen im Hinblick auf die psychische Gesundheit der Menschen beinhaltet (siehe Musterberufsordnung der BPtK). Krisen wie die Coronapande­mie, Folgen des Krieges in der Ukraine und Naturkatastro­phen wie Hitze und Dürre wirken sich bereits jetzt auf die psychische Gesundheit der Menschen aus. Für uns als Berufs-stand bedeutet dies, sich bei Großschadensereignissen oder Katastrophen in berufsangemessener Form zu beteiligen, Forschung und Entwicklung von Interventionen zur Klimakrise und psychischer Gesundheit zu fördern, Notfallpsychotherapie bereitzustellen und hierzu Aus-, Fort und Weiterbildung anzubieten sowie Nachhaltigkeits- und Klimaresilienzstrate­gien zu entwickeln und zu implementieren.

Konkret streben wir als Psychotherapeut*innenbündis an, die Übernahme von Verantwortung für den Erhalt der ökologischen und soziokul­turellen Lebensgrundlagen in die Berufsordnung der LPK aufzunehmen. Wir wollen Vorstandsbeauftragte für Fragen der Psychotherapie in Krisen und Notfällen und des Klima­schutzes benennen, um in Zusammenarbeit mit bereits tätigen Akteuren (wie KLUG und Psy4 F) Informations-, Weiter­bildungs- und Beteiligungsprojekte für den Berufsstand und die Politik anzustoßen.

12. Weitere Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen

Durch aktive Kammerarbeit und Aufklärungsinitiativen werden wir die Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen weiter voranbringen.

Immer wieder berichten Patient*innen über Diskriminierung oder Stigmatisierung aufgrund ihrer psychischen Erkrankung im familiären oder auch beruflichen Umfeld, aber auch beispielsweise bei der Arbeitssuche oder an einem neuen Arbeitsplatz. Auch für Versicherungen sind Patient*innen oft noch Jahre nach einer erfolgreichen Behandlung sogenannte Risiken. Versicherungen können sie deshalb oft nur zu besonderen Konditionen oder gar nicht abschließen.

Studien zeigen, dass Menschen mit psychischen Erkrankun­gen noch immer stigmatisiert und als „nicht normal“ oder inkompetent wahrgenommen werden. Sie werden deshalb oft gemieden oder gar sozial isoliert. Aus neueren Studien werden Unterschiede erkennbar: Es wird deutlich, dass beispielsweise Menschen mit Depressionen weniger als noch vor Jahren stigmatisiert und eher akzeptiert werden als Menschen mit Psychosen oder Suchterkrankungen. Bei Letzteren herrschen, teilweise auch durch übertriebene Darstellung in Medien oder auch politischen Debatten, noch immer die Vorurteile vor, sie seien unberechenbar und gefährlich oder Menschen mit Suchterkrankungen seien „einfach willensschwach“.

Deshalb leiden viele Menschen nicht nur unter ihrer psychi­schen Erkrankung, sondern auch unter der Diskriminierung, fehlt ihnen doch die dringend benötigte soziale Unterstüt­zung. Auch wenn es eine unangenehme Botschaft ist, zeigen Studien, dass es auch im Gesundheitssystem und selbst innerhalb unserer Profession immer wieder dazu kommt, dass bestimmte Patientinnengruppen, wie zum Beispiel Patientinnen mit Suchterkrankungen, diskriminiert werden.

Dass die Psychotherapie Ende der 1960er Jahre in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen wurde, war kein Akt christlicher Nächstenliebe, sondern Ergebnis einer Analyse von Krankenkassendaten (z. B. Dührssen & Jorswieck, 1965), die zeigte, dass die somatischen Folgekosten psychothera­peutisch Behandelter niedriger lagen als in einer unbehan­delten Vergleichsgruppe, und zwar in einem Maße, das die Kosten der psychotherapeutischen Behandlung mehr als aufwog. Vor diesem Hintergrund ist es skandalös, wenn etwa Lehramtsreferendar*innen eine Psychotherapie aufschieben oder ganz darauf verzichten, um keine Nachteile im Hinblick auf eine mögliche Verbeamtung zu erleiden. Dabei ist es gerade in diesen Berufen mit Multiplikatoreffekten ein Zeichen von Professionalität, notwendige psychotherapeuti­sche Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.

Wir sehen es als Aufgabe der Kammer an und werden uns innerhalb der Profession und in der Öffentlichkeit dafür einsetzen, dass durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankun­gen weiter vorankommt und Stigmatisierung bekämpft wird.

Scroll to Top
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner